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Der Rostocker Anwaltverein kann auf eine lange Tradition zurückblicken. Gegründet wurde er am 04.11.1913 (Auszug aus dem Rostocker Anzeiger). Den Gründungsvorstand stellten Dr. jur. Friedrich Schütz, Dr. jur. Octavio Franck und Dr. Hugo Sawitz. Einzelne Folgenachweise sind noch vorhanden.
Gründung 1913
Der Rostocker Anwaltverein wurde am 03.11.1913 erstmals gegründet. Der Rostocker Anzeiger berichtetin seiner Ausgabe vom 04.11.1913:
“In einer gut besuchten Versammlung wurde gestern die Gründung eines
„Rostocker Anwaltsvereins“ beschlossen. Zweck des Vereins, dessen Mitglied zu werden jeder imLandgerichtsbezirk Rostock zugelassene Rechtsanwalt und Notar berechtigt ist, ist die Förderungkollegialer Beziehungen, die Wahrung der Berufs- und Standesinteressen und die Pflegewissenschaftlichen Geistes unter seinen Mitgliedern. Der Vorstand besteht aus den Herren Justizrat Dr. Schütz (erster Vorsitzender), Rechtsanwalt Dr. Frank (stellvertretender Vorsitzender), Rechtsanwalt Dr. Sawitz (Schriftführer), sämtlich zu Rostock.“
Im Jahr 1913 lebten in Rostock rund 66.000 Einwohner. 1914 waren in ganz Mecklenburg 154 Rechtsanwälte zugelassen, die meisten davon als Anwaltsnotare. Zugelassene Rechtsanwältinnen gab es in Mecklenburg vor 1945 nicht.
Der Gründungsvorsitzende des Rostocker Anwaltsvereins, Dr. Friedrich Schütz, wurde 1858 geboren und wuchs als Sohn des Navigationsschuldirektors in Wustrow auf. Der stellvertretenderGründungsvorsitzende, Dr. Octavio Frank, war Jahrgang 1873 und Sohn eines Kaufmanns aus Itzehoe, Holstein.
Der Gründungsschriftführer, Dr. Hugo Sawitz, wurde am 02.12.1885 in Rostock als Spross zweier großerRabbinerfamilien geboren. 1914 meldet er sich freiwillig zum Kriegseinsatz und eröffnete 1918 in Rostock eine eigene Anwaltskanzlei. Als Mitglied der DDP zog er in die Rostocker Stadtverordnetenversammlungein. Der von ihm in diesem Zusammenhang erarbeitete Entwurf der Verfassung, die am 16.06.1919 in Kraft trat, beinhaltete das aktive und passive Wahlrecht für Frauen, den Vorrang desKommunalparlaments vor dem bisher allgewaltigen Rat und die Möglichkeit von Bürgerbegehren und Bürgerabstimmungen. Viele seiner Ideen für eine neue Staatsform, fanden Eingang in die 1920 verabschiedete Landesverfassung von Mecklenburg-Schwerin. Sein 1920 geschriebener Kommentar zurmecklenburgischen Städteordnung wird noch heute in verfassungsgeschichtlichen Publikationen zitiert. ImRostocker Anwaltsverein wurde Dr. Hugo Sawitz zu einem geschätzten Mitstreiter. Erst 37jährig verstarbDr. Hugo Sawitz plötzlich an einem Schlaganfall. Die Sozialdemokratische mecklenburgische Volkszeitung vom 12.09.1922 würdigte ihn als
„Jurist von ganz außergewöhnlicher Begabung, ganz ehrlichen reinen Demokraten von einer seelischen Vornehmheit und von einem Gesinnungsadel, wie es selten seinesgleichen gibt.“
Zeit des Nationalsozialismus (1933 – 1945)
Ein bekanntes Mitglied des Rostocker Anwaltvereins aus der Zeit vor der Auflösung war Dr. Ludwig Jens. Er war unter dem Vorsitz von Dr. Ehrendorf 1931 Schriftführer des Rostocker Anwaltvereins. Dr. Ludwig Jens, Sohn eines Kapitäns aus Ribnitz, eröffnete im Jahr 1922 seine Anwaltskanzlei in der Blutstraße 19 (der heutigen Kröpeliner Straße) in Rostock. Er war seinerzeit eine stadtbekannte Persönlichkeit. Dies lagnicht nur daran, dass er ein exzellenter Strafverteidiger war, sondern auch an seinem freundlichen und geselligen Wesen, das ihm Sympathien bei den Rostocker Bürgern einbrachte.
Indes galt Dr. Ludwig Jens in maßgeblichen Kreisen des NS-Regimes in Rostock und Mecklenburg alsrenitenter oppositioneller Anwalt. Aufgrund seiner Haltung und seiner Erfolge als Strafverteidiger war er fortwährend Anfeindungen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Ein ehemaliger Referendar von Dr. Ludwig Jens, Karl Ulrich Fuchs, wusste von seinem Ausbilder in einem Brief u.a. wie folgt zu berichten:
„Ich war als Referendar während meiner Vorbereitungszeit 1938 über fünf Monate bei Luden Jens.Schon als ich ihn Anfang 1938 bat, mich aufzunehmen, riet er mir wegen seines schlechten Rufs beiden Machthabern dringend von meinem Vorhaben ab. Das- selbe wiederholte sich bei dem Beamten des Oberlandesgerichts, der mir gleichfalls im Vertrauen und sicher wohlmeinend abriet, bei Dr. Jens meine Ausbildung zu machen. Ich müsse mit Nachteilen rechnen.
Ich hatte von Anfang an ein sehr herzliches und vertrauensvolles Verhältnis zu diesem ausgezeichneten Juristen, mutigen Anwalt und außergewöhnlichen Menschen. Jens übernahm weit über den Bezirk Rostock hinaus Strafverteidigungen gegen politisch Verfolgte und gefährdete sich dabei stets selbst, weil er kein Blatt vor den Mund nahm. Sein Intimfeind war der Rechtsanwalt Ditten, Anwaltsfunktionär, Parteigenosse und ohne jede Befähigung. Ich habe mehrfachAuseinandersetzungen mit diesem Kollegen gehört, die Dr. Jens hätten in das KZ bringen können.“
Als Dr. Ludwig Jens am 01.01.1942, dem Neujahrstag, gegen Mittag das Lokal „Wintergarten“ in derBreiten Straße in Rostock verlässt, wird er von Gestapo-Beamten verhaftet. Wenige Tage später wird die Nachricht von seinem Tod in der Stadt verbreitet. Die Umstände seines Todes sind bis heute ungeklärt.
Mit der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ging die Gleichschaltung des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens unter dem NS-System einher. Auch der Deutsche Anwaltverein ließ sich gleichschalten, nicht so schnell wie andere Vereinigungen, aber doch ohne große Widerstände. Sowohl der Deutsche Anwaltverein als auch die örtlichen Anwaltvereine wurden schließlich förmlich aufgelöst. Die Anwälte hatten sich in die Fachgruppe Rechtsanwälte des Bundes nationalsozialistischer deutscher Juristen einzugliedern.
DDR-Zeit (1949 – 1990)
In der DDR kam es zu keiner Reaktivierung. Die Gründung von Vereinigungen wurde unter staatlichenVorbehalt gestellt. Eine der Freiheit und dem Rechtsstaat verpflichtete berufsständische Interessenvertretung war unerwünscht. Auch das Kammerwesen wurde nicht wieder eingeführt. Rechtsanwälte waren fortan in Kollegien organisiert.
Die Auflösung des Rostocker Anwaltskollegiums erfolgte mit Wirkung zum 30.06.1990. Zu diesem Zeitpunkt waren 27 Anwälte Mitglied des Anwaltskollegiums.
Nach der Wiedervereinigung (ab 1990)
Am 25.10.1990, wenige Tage nach der deutschen Wiedervereinigung, hat sich der Rostocker Anwaltverein - seinerzeit noch als Rostocker Anwaltsverein e.V. – wiedergegründet. Gründungsvorsitzender war Hans-Werner Peine.
Die 1990er waren für die Anwaltschaft eine bewegte Zeit. Im Zuge der Wiedervereinigung ergab sich eineVielzahl von Veränderungen. Die Kollegen aus den neuen Bundesländern mussten sich in einerveränderten Rechtswirklichkeit zu Recht finden. Zulassungsprobleme waren zu lösen. Die Kollegen aus den Altbundesländern mussten sich mit dem fortgeltenden Recht beschäftigen aber auch mit dem persönlichen Hintergrund und der Geschichte ihrer Mandanten. Gemeinsam war allen Rechtsanwälten in den frühen 1990ern, dass ein hohes Maß an Bereitschaft erforderlich war, sich auf etwas Neues einzulassen.
Heute
Über die Jahre ist der Rostocker Anwaltverein kontinuierlich gewachsen. Heute hat der Verein 159Mitglieder (Stand April 2024). Er ist damit der mit Abstand größte Anwaltverein im Land Mecklenburg-Vorpommern.
Der Verein bringt sich regelmäßig in rechtspolitische Fragen ein, wie bei der Gerichtsstrukturreform oder hinsichtlich der angestrebten Wiedereröffnung der Juristischen Fakultät an der Universität Rostock.
Die Mitglieder des Vereins engagieren sich - wie schon die Gründerväter - neben Ihrer beruflichenTätigkeit in vielfältiger Weise in der Hansestadt Rostock und im Land Mecklenburg-Vorpommern. So sind Mitglieder des Rostocker Anwaltvereins als Richter beim Anwaltsgerichtshof und beim Landesverfassungsgericht, im Vorstand der Rechtsanwaltskammer Mecklenburg-Vorpommern, in der Rostocker Bürgerschaft ebenso wie in der Sportgerichtsbarkeit und als Ausbilder für Rechtsreferendare und Rechtsanwaltsfachangestellte ehrenamtlich tätig.
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